Preisdiskriminierung in der EU und ihre Auswirkungen auf die Freizeitbranche

Es ist üblich, dass Reiseveranstalter in beliebten Reiseorten wie Venedig eine doppelte Preisnotierung oder eine „Preisdiskriminierung“ zwischen Einheimischen und Ausländern erheben. Die Europäische Kommission versucht nun, dies zu ändern.

Was ist Preisdiskriminierung bzw. doppelte Preisnotierung

Preisdiskriminierung oder doppelte Preisnotierung liegen vor, wenn die Ticketpreise für Sehenswürdigkeiten und Ausflüge nach Nationalität bestimmt werden, wobei Ausländer mehr zahlen als Einheimische. Einige Länder müssen unter Umständen auch mehr bezahlen als andere Länder.

Die Preisunterschiede sind von Land zu Land unterschiedlich. In touristischen Zielen wie Venedig können ausländische Tickets sechs bis zehn Mal teurer sein als die lokalen Preise. Cafés in Brügge verlangen zehn Prozent mehr Geld für Pommes Frites für Touristen und auch in Städten wie Rom und Sizilien sind Lebensmittel und Waren für Touristen deutlich teurer.

Diese Preisunterschiede sind enorm und immer mehr Touristen beklagen sich darüber. Tatsächlich können Preisdiskriminierungen einer Volkswirtschaft langfristig schaden, weil Touristen weniger Interesse daran haben, diese Länder in Zukunft noch einmal zu besuchen. Dies kann sich auch direkt auf Sie als Reiseveranstalter auswirken.

Wie können Sie als Reiseveranstalter das Problem also angehen? Nun, kalkulieren Sie die Preise einfach so fair wie möglich, halten Sie die EU-Vorschriften für den Binnenmarkt ein und regen Sie andere Reiseveranstalter dazu an, dasselbe zu tun.

Leichter gesagt als getan, das ist uns klar.

Wir sollten uns ein paar Fälle von Preisdiskriminierung in der EU und die Argumente für und gegen die doppelte Preisnotierung ansehen, um Ihnen ein besseres Verständnis der Gesetze und Debatten zu diesem Thema zu vermitteln.

Preisdiskriminierung auf dem venezianischen Tourismusmarkt

Im Jahr 2015 leitete die Europäische Kommission eine Untersuchung zu Preisdiskriminierung in Venedig ein, nachdem ein belgischer Tourist eine förmliche Beschwerde eingereicht hatte. Der Belgier argumentierte, dass touristische Attraktionen und Geschäfte in Venedig gegen eine EU-Regelung verstoßen, indem sie Touristen für fast alle touristischen Aktivitäten (wie Museumseintritte und Grundlegendes wie das Benutzen öffentlicher Toiletten) weitaus mehr berechnen als den Einwohnern. Der Tourist forderte die Europäische Kommission auf, einzugreifen und eine Pauschale für alle einzuführen – ob Tourist oder nicht.

Die italienische Tageszeitung La Stampa zitierte den Touristen mit den Worten: „Stellen Sie sich vor, Paris, London und Rom würden das machen. Die europäischen Verträge schreiben Freizügigkeit und Gleichbehandlung aller EU-Bürger vor. Bereits 2003 wurde Italien wegen der unterschiedlichen Preise in Museen verurteilt, die sich auf die Nationalität beziehen.“

In der förmlichen Beschwerde verglich der belgische Tourist den Preis für einen Ausflug einer Touristenfamilie mit einem Familienausflug für Bewohner der Stadt. Er schilderte höhere Kosten für die Besucherfamilie, die damals 136 Euro zahlten, im Vergleich mit der venezianischen Familie, die 12 Euro für genau dieselben Aktivitäten ausgab. Das ist offensichtlich ein sehr drastischer Preisunterschied.

Zu dieser Zeit:

  • zahlten Touristen 7 € für Wasserbusfahrten, während die Bewohner 1,30 € zahlten.
  • zahlten Touristen 18 € Eintritt für den Dogenpalast, während Venezianer freien Eintritt erhielten
  • erhielten die Bewohner freien Zugang zum öffentlichen Wlan, während Touristen 5 € für 24 Stunden zahlten
  • zahlten Touristen 1,50 € für die Benutzung öffentlicher Toiletten, während die Bewohner nur 25 Cent zahlten

Der Direktor des öffentlichen Nahverkehrs in Venedig verteidigte den Preis seiner Dienstleistungen damit, dass jeder mit einer Venezia Unica-Karte für 1,30 € mit dem Wasserbus fahren könne. Die Karte kostet jedoch 10 € für Einheimische, 20 € für Einwohner der Region Venetien und 50 € für Touristen.

Mit Millionen von Touristen, die jedes Jahr nach Venedig kommen, besteht zwischen der Stadt und den Touristen ein historisches Verhältnis. Silvio Testa, Leiter einer Kampagne gegen große Kreuzfahrtschiffe in Venedig, erklärte in der Zeitung La Stampa, dass Venedig das neue Disneyland geworden sei und Preisdiskriminierung nur ein Weg wäre, um einige Touristen am Besuch der Stadt zu hindern.

Diese Aussage ist ein Beweis für die wirtschaftlichen Kosten der Preisdiskriminierung für jede Volkswirtschaft, die vom Tourismus lebt. Auch Sie als Reiseveranstalter sollten sich damit beschäftigen.

Die Europäische Kommission untersucht inzwischen die Beschwerde.

Preisdiskriminierung bei Hotels, im Online-Handel und bei Videospielen

Darüber hinaus erhielt die Europäische Kommission im vergangenen Jahr mehrere Beschwerden von Touristen über Preisdiskriminierung in Hotels. Sie untersucht jetzt Hotelaufnahmeverträge zwischen den größten europäischen Reiseveranstaltern Kuoni, REWE, Thomas Cook, TUI und Meliá Hotels.

Sie stellte fest, dass „Hotels und Reiseveranstalter Kunden nicht aufgrund ihres Standortes diskriminieren können“, da dies gegen die EU-Binnenmarktvorschriften verstößt.

So „können die fraglichen Vereinbarungen Klauseln enthalten, die eine Diskriminierung zwischen Kunden aufgrund ihrer Nationalität oder ihres Wohnsitzlandes vorsehen. Als Folge davon können die Kunden nicht die volle Hotelverfügbarkeit einsehen oder Hotelzimmer zu den besten Preisen buchen“. Dies könnte gegen die EU-Wettbewerbsregeln verstoßen, indem es die Verbraucher daran hindert, Hotelzimmer zu günstigeren Konditionen zu buchen, die von Reiseveranstaltern in anderen Mitgliedstaaten angeboten werden, und zwar allein aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des Wohnsitzes des Verbrauchers. Dies würde zu einer Teilung des Binnenmarktes führen“.

Die Kommission untersucht die Kundenbeschwerden in drei getrennten Ermittlungen zu Preisdiskriminierung bei elektronischen Produkten, Videospielen und Hotelunterkünften.

Sie erklärt, dass „der Online-Handel den Verbrauchern eine größere Auswahl an Waren und Dienstleistungen sowie die Möglichkeit bieten sollte, grenzüberschreitend einzukaufen. Die drei Untersuchungen, die wir heute [9. Februar 2017] eröffnet haben, konzentrieren sich auf Praktiken, bei denen wir vermuten, dass Unternehmen versuchen, den Verbrauchern diese Vorteile vorzuenthalten. Insbesondere prüfen wir, ob diese Unternehmen gegen die EU-Wettbewerbsregeln verstoßen, indem sie die Endkundenpreise ungerechtfertigterweise einschränken oder Kunden aufgrund ihrer Nationalität oder ihres Standortes von bestimmten Angeboten ausschließen.“

Wenn Sie also als Reiseveranstalter innerhalb der EU tätig sind, sollten Sie sich der Auswirkungen der Preisdiskriminierung auf Ihr Unternehmen bewusst sein. Wenn eine Beschwerde von einem Ihrer Kunden vorgebracht wird, könnte das Geld kosten und Ihrem Ruf schaden.

Wir sind uns sicher, dass einige von Ihnen über die Argumente für Preisdiskriminierung nachdenken. Sicher, Sie könnten argumentieren, dass das Geld, das durch Preisdiskriminierung verdient wird, für Instandhaltung verwendet wird; dass Ausländer mehr Geld verdienen, und deshalb mehr bezahlen sollten; dass die Eintrittspreise in anderen Ländern höher sind und deshalb auch in Ihrem Land höher sein sollten; und dass arme Einheimische nicht aufgrund der Preisgestaltung daran gehindert werden sollten, die Sehenswürdigkeiten ihres Landes zu sehen.

Viele Leute sind mit diesen Argumenten einverstanden. Sie vielleicht auch. Allerdings sind nicht alle zutreffend.

Lassen Sie uns das genauer anschauen, Argument für Argument.

#1: Das Geld wird für Instandhaltung verwendet

Der Erhalt kultureller Sehenswürdigkeiten ist von großer Bedeutung. Niemand will sehen, wie ein Kulturerbe in Trümmer zerfällt. Es ist jedoch fraglich, ob in Ländern mit Preisdiskriminierung das zusätzliche Einkommen tatsächlich in den Erhalt der Sehenswürdigkeiten fließt.

Beispielsweise könnten viele Sehenswürdigkeiten an Orten, an denen Preisdiskriminierung üblich ist, ein wenig Sauberkeit vertragen. Sie haben keine Mülltonnen, in denen Schmutz und Müll gesammelt werden könnten, ebenso wenig wie eine Beschilderung in Fremdsprachen wie Englisch, Chinesisch oder Französisch, die hilfreich für Touristen wäre. Wenn Ausländer mehr zahlen, sollten sie auch Annehmlichkeiten erhalten, die die Kosten rechtfertigen.

Wenn die Einnahmen aus dem Ticketverkauf für Wartung und Verbesserungen verwendet würden, dann wären die Argumente für Preisdiskriminierung stärker. In der Regel werden sie jedoch nicht für die Instandhaltung verwendet, zumindest nicht in allen Fällen.

#2: Einheimische sollten finanziell nicht ausgeschlossen werden

Auch das Argument, dass die Einheimischen nicht aufgrund hoher Preise verdrängt werden sollen, ist nicht stichhaltig. Denn in der Realität wird immer jemand verdrängt.

Ein großer Teil der Bewohner von Orten, an denen Preisdiskriminierung üblich ist, ist häufig nicht sehr wohlhabend. Viele können sich gar keine touristischen Aktivitäten leisten. Für diesen Teil der Bevölkerung ist jeder Eintritt, der nicht kostenlos ist, zu hoch. Selbst ein kostenloser Eintritt würde sie nicht davon überzeugen, Sehenswürdigkeiten zu besuchen, da mit dem Besuch oft versteckte Kosten verbunden sind. So müssen sie beispielsweise Geld für Transport, Verpflegung und Unterkunft ausgeben. Dazu kommen noch die Opportunitätskosten: Die Zeit, die für die Besichtigung der Sehenswürdigkeiten aufgewendet wird, kann nicht mehr für das Verdienen von Geld verwendet werden. Es werden immer Menschen finanziell ausgeschlossen.

So können es sich beispielsweise nicht alle Franzosen leisten, den Louvre zu besuchen, ebenso wenig können es sich nicht alle Amerikaner leisten, das Museum of Modern Art in New York oder das Art Institute of Chicago zu besuchen.

#3: Preisdiskriminierung hilft der Wirtschaft

Das ist nicht unbedingt wahr.

Nachhaltiger Tourismus sollte immer die lokale Wirtschaft unterstützen und fördern. Preisdiskriminierung wirkt sich negativ auf nachhaltigen Tourismus aus.

Wenn Sie z.B. 25 € für den Eintritt in ein Museum ausgeben, sind das 25 €, die Sie nicht in einem lokalen Restaurant für Essen und Getränke ausgeben. Je mehr Geld man für Sehenswürdigkeiten ausgibt, desto weniger kann man für die lokale Wirtschaft ausgeben. Man könnte argumentieren, dass Eintrittsgelder die Wirtschaft fördern. Wenn wir jedoch bedenken, dass die meisten Sehenswürdigkeiten von der Regierung verwaltet werden, ist es ungewiss, ob das Geld in die lokale Wirtschaft zurückfließt oder nicht.

Zusammenfassung

Als Reiseveranstalter wäre es wirtschaftlich fair, Einheimischen und Touristen den gleichen Tarif anzubieten. Außerdem müssen Sie die EU-Binnenmarktvorschriften einhalten.

Touristen, die sich über Ihre doppelte Preisnotierung ärgern, werden das Land und seine Sehenswürdigkeiten in Zukunft meiden, was der Wirtschaft langfristig schaden wird. Im Endeffekt könnte diese Entwicklung auch Ihrem Unternehmen langfristig schaden.

Unser Tipp: Legen Sie einen einheitlichen Preis fest, zumindest für EU-Bürger. Vielleicht bieten sich unterschiedliche Preise für Studenten, Kinder und Senioren an?

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